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Interview I De | Fr

Lydia Mischkulnig und Rodica Draghincescu

RD: Was bedeutet Literatur für Lydia Mischkulnig?
LM: Vorläufige Überlebensstrategie. Ein Leben ohne Literatur kann ich mir nicht vorstellen.

RD: Wann haben Sie den ersten wichtigen Autor gelesen?
LM: Einen dem Kanon wichtigen Autor las ich zum ersten Mal mit 8.
Einen mir wichtigen Autor las ich später. Ich weiß nicht mehr
wann, ich weiß aber wo, – in seiner Wohnung.

RD: Wie war dieser erste Kontakt mit der literarischen Welt?
LM: Wir lasen gemeinsam Sartre und das Spiel war aus.

RD: Erzählen Sie bitte über die ersten Zeichen ihrer Begabung, über
Ihre Anfänge als Schriftstellerin.
LM: Mich reizte Weiß. Notizhefte, Kassazettelrollen, Blöcke.
Das Weiß machte Lust auf das Schreiben. Am liebsten waren mir weiße Wände.

RD: Glauben Sie an Vorbilder in der Literatur?
LM: Nein.

RD: Sie schreiben Prosa (Erzählungen und Romane). Wann, wo, wie und
wie oft schreiben Sie? Für wen?
LM: Ich schreibe täglich, beim Fernsehen, beim Kochen, beim Lesen,
stehend, liegend, sitzend, dann wieder wochenlang nur im Kopf.
Für wen ich schreibe? Für meine Mama.

RD: Wo finden Sie Ihre Inspiration? Wer und was inspiriert Sie?
LM: Alles was mich kratzt inspiriert mich, also auch Werbeslogans und
Weichspüler, leere Räume, Stille, der Geruch von Ingwer und das Gedicht
über den Kühlschrank von Ernst Jandl und nicht zu vergessen weiße Wände.

RD: Sie leben in Wien. Man sagt, Ösetrreich sei ein modernes und
gastfreundliches Land für die jungen Autoren. Stimmt es, dass viele
Verlagshäuser in Ihrem Land geöffnet sind für die neue europäische
Literatur?
LM: Ich hoffe, dass Ihre Information stimmt. Es gibt einige Verlagshäuser
(z.B: Droschl, Wieser, Haymon), die sehr interessant sind.

RD: Wie sind Ihre Verbindungen mit den Verlegern im
deutschesprachligen Raum?
LM: Je kleiner der Verlag, umso besser die Verbindung. Im deutschesprachligen(!) Raum, dieser Verschreiber ist wunderbar, und man
darf ihn nicht korrigieren, haben es österreichischesprachlige (!) Autoren,
man muß diesen Verschreiber übernehmen, nicht immer leicht. Der Umgang mit der Sprache ist anders.

RD: Ist es schwer, als Romanautor einen guten Verleger zu finden?
LM: Ein guter Verleger antwortet wahrscheinlich mit nein. Ein Romanautor vielleicht mit der
Gegenfrage: was ist gut? Für einen Romanautor ist es gut, wenn der Roman gut verkauft
wird. Alle Verleger versprechen das. Wenn dann der Roman erschienen ist, heißt es, gute
Literatur lasse sich nicht gut verkaufen. Die Kritiker sagen: Im Gegenteil! Darauf sagt ein
guter Verleger: Was ist schon gut? Und der Autor schließt sich dieser Haltung an. In diesem
Fall haben einander ein guter Romanautor und ein guter Verleger getroffen.

RD: Wie finden Sie die neuen Romanautoren aus Österreich? Und Ihre
Kollegen aus Deutschland?
LM: Allesamt sind hochinterssant. Die Arbeiten von Gerd
Jonke, Helga Glantschnig und Efriede Gerstl finde ich wegen der
Radikalität, des Witzes, der Genauigkeit und der Beiläufigkeit besonders
spannend. Ingeborg Horns "Logbücher einer Meerjungfrau" mag ich sehr, ein
sprachliches Kunstwerk und radikal.

RD: Was haben Sie mit den anderen Autoren gemeinsam? Was trennt Sie
ab?
LM: Gemeinsam haben wir das Alphabet, und was uns trennt, sind Sätze von Lydia Mischkulnig.

RD: Eine junge Romanautorin und ein junger Romanautor. Was nimmt ein
Verleger lieber?
LM: Ein hübsches Manuskript.

RD: Frauenbewegung, Feminismus, Weiblichkeit, Liebe, Sexualität,
Emanzipation, Schicksal, Humor, Ironie, Schöne Geschichte u.a. Was lieben
Ihre österreischen und deutschen Leser?
LM: Ich überlege mir die Vorlieben der Leser nicht, ich eigne mich nicht zur Erfüllung von Erwartungen.
Ich kann nur schreiben, was mich interessiert, was anderes geht nicht.
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